Beim Sortieren der alten Fotos aus meinem Elternhaus habe ich eine für mich eindrucksvolle Zeitreise viele Jahrzehnte zurück gemacht:
Das Verlobungsbild meiner Eltern; das Kleid habe ich sehr oft getragen und die Kette, die meine Mutter mir geschenkt hat, heute noch. 

Wir haben alle fasziniert auf den Blitz geguckt, der am Wäschehalter überm Ofen aufgehängt wurde - kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Leider ist meine Omi, bei der ich bis 10 Jahre gelebt habe, zu früh mit 72 gestorben. Sie war eine Seele von Mensch, hatte winzige Landwirtschaft, Ziegen, Hühner, Enten. 
Als sie starb, war ich 24, stand mitten im Examen meines Studiums in Köln.   

Mein Opa, der 1 Woche nach der Geburt meiner ältesten Tochter gestorben ist; er wurde ins Krankenhaus eingeliefert, als ich noch dort war. Ich hätte ihn gerne nochmal gesehen, durfte aber nicht, bin vergeblich nachts zum Krankenhaus gegangen. Mit 66 war er gerade im Rentenalter.
Er war sehr klug, obwohl oft viel zu gutmütig, hat uns viel beigebracht. So konnte ich schon früh in 4 Sprachen bis 10 zählen - zum Schmunzeln, wenn ich daran denke. 
Und der Hauptgewinn eines Preisaus-schreibens, an dem er in meinem Namen teilgenommen hatte, steht immer noch hier im Schrank: ein Kaffeeservice.

 
Meine Oma väterlicherseits, die schon mit 20 Jahren Kriegerwitwe war und 8 Kinder alleine groß ziehen musste, denn auch der 2. Mann war in Polen umgekommen. Mein Vater hat den Opa nie kennen gelernt.  

Die Oma mit ihren 8 Kindern, von denen noch eines lebt;   insgesamt  hatte  sie  10 Kinder - unvorstellbar heute.

Meine Mutter, eine sehr kluge Frau - wie eine Prinzessin, und ich als Jugendliche. 
Es hat eine Weile gedauert, bis ich meine Eltern verstanden habe - viele Dinge erfuhr ich erst aus den Unterlagen.

Am Grab meiner Namen gebenden Tante, die mit 7 Jahren an Diphtherie starb.
Rechts ein Bild des mit 3 Tagen verstorbenen kleinen Bruders Valentin Johannes.

Ein seltenes Bild: beide Omas im Arm.

Vieles hat sich geändert seit dieser Zeit; Frauen und Mütter  sind in technischen Berufen heute ebenso selbstverständlich geworden wie ein Rollentausch innerhalb der Familie. 
Im Dorf bei uns früher war es normal, dass alle Kinder gegen eine warme Mahlzeit den Bauern auf dem Feld bei der Ernte halfen - heute geschieht das überwiegend maschinell.
Bei meiner Kaufmannsgehilfenprüfung hörte ich, dass ein Mädchen in meinem Alter -also 17- nicht soviel technisches Verständnis haben kann wie es meine Zeichnungen und Erläuterungen im Berichtsheft vermuten ließen.
Mein Berufstraum -Modezeichnerin- scheiterte an den eingeschränkten finanziellen Mitteln meiner Eltern mit ihren 3 Kindern, wovon eines behindert ist - heute sehe ich das sogar positiv, denn mit meiner kaufmännischen Ausbildung hatte ich eine weitaus solidere Grundlage fürs Leben. 
Der Rhesus-Faktor und  seine Symptome 
-Ursache für Behinderungen bei Blutgruppen-Unverträglichkeit- war kaum bekannt in Europa; heute ist in diesen Fällen ein Blutaustausch Standard. Und weil auch ich Rhesus-negativ bin, wurde beim zweiten Kind das Blut ständig kontrolliert. 
Behinderte sind damals in den Familien betreut und versteckt worden; Einrich-tungen wie heute gab es nicht. 
Trotz   eingeschränkter Möglichkeiten waren aber die Menschen insgesamt zufriedener und weniger egoistisch als heute; sie hatten viel mehr Gemeinschaftssinn.
Manchmal habe ich heute noch den Geruch der nach der Ernte auf dem Grundstück meiner Großeltern überm Feuer gerösteten Kartoffeln in der Nase, die für uns auch ungewaschen ein Genuss waren; wir hatten immer sehr viel Spaß bei diesem Abschluss der Kartoffelernte. 
Das Grundstück von 2.500 qm Größe ist später gegen einen 1.000 qm großen Bauplatz der Kirche für meine Eltern getauscht worden.
Die Kirche war (und ist vielleicht noch) Großgrundbesitzer durch Gläubige, die ihr nach ihrem Tod die Grundstücke vermacht haben.